Selbstüberschätzung des Mannes? Soll es die wirklich geben?
Text: Stefan Schwarz
Der Mensch. Wunderwerk der Evolution. Ausdauernd ist er. Läuft weiter als die leichtfüßige Gazelle im Serengeti-Park. Behände ist er. Erklimmt Bergeshöhen, unterhalb derer selbst die trittsicherste Gemse kopfschüttelnd zurückbleibt. Er kann einen Speer schneller und weiter werfen, als Kampfrichter ihm ausweichen können. Nur eins kann er nicht: einen halben Zentner schwere Röhrenfernseher durch eine schmale Tür auf die sehr niedrige Rückbank einer sportlich-schnittigen Mittelklasse-Limousine wuchten. Dazu hat er weder das Kreuz noch die Hüfte. Das hat die Evolution nicht vorgesehen.
Warum auch? Röhrenfernseher sind doch längst ausgestorben, wird sich die Evolution gedacht haben, wenn die sportlich-schnittigen Limousinen auf dem Markt erscheinen. Und selbst wenn einer dieser urst schweren Röhrenfernseher noch irgendwo in einem Keller herumstand und endlich entsorgt werden soll, dürfte sich die Evolution weiter gedacht haben, wird doch kein Homo sapiens so saudumm sein, den in einen dieser sportlich-schnittigen …
»Soll ich mit anfassen, Väterchen«, hatte mein Sohn an jenem Samstag vor fünf Wochen gerufen, als er mich mit dem Ungetüm auf das Fahrzeug zuwanken sah. »Das schaff ich gerade noch allein, mein Sohn!«, hatte ich höhnisch hervorgepresst. Neben Rauchern und Trinkern sind vor allem Männer, die es gerade noch allein zu schaffen behaupten, eine schwere Belastung für die Krankenkassen. Für den finanziellen Gegenwert der Therapie, die mein Iliosakralgelenk nun wieder einrenken sollte, hätte der alte Röhrenfernseher auf einer Sänfte aus Damast und Seide von einer Ehrenkompanie der Bundeswehr im langsamen Stechschritt unter klingendem Spiel zum Wertstoffhof getragen werden können …