Text: Kirsten Fuchs
Zwei Stunden Sonne reichen mir und Grischan schon. Nur ein ganz klein wenig Licht, und schon springen unsere Hormone an. Jetzt laufen wir rum und sind verknallt wie die Teenies, sind aber leider keine mehr. Können also nicht schön im Kinderzimmer knutschen, denn das Kinderzimmer ist jetzt das Zimmer von unserem Kind, und wir passen gar nicht zusammen auf das Bett. I
n der Woche müssen wir beide arbeiten, und am Wochenende ist die Kleine zu Hause. Klar ist das schön, zu sehen, wie sie aufwächst, und das ganze Zeug, aber Sex wäre auch schön. Schon mal notgeile Väter das Geländer an der Rutsche auf dem Spielplatz runterrutschen sehen? Oder notgeile Mütter beim Schaukeln unnatürlich hoch lachen hören?
Es ist ja nicht so, dass wir nur Nachwuchs machen wollen. Die paar Minuten würden sich schon finden. Das Zeugen könnte man – hier finde ich die Redewendung wirklich schön – auf einer Arschbacke absitzen. Oder das könnte man schnell mal aus dem Handgelenk schütteln. Das könnten wir mit links machen.
Aber man will es ja auch mal ein bisschen schön haben. Schön – so mit Zeit. Abends ist einer von uns beiden müde und kann gut stillhalten. Da ist auch schon ’ne Menge möglich. Eigentlich ist das oft sogar besser, als wenn beide aneinander vorbeifummeln und sich weder auf Tempo noch Richtung einigen können – einfach, weil man so aufgeregt ist, dass man mal wieder aufeinandertrifft.
Dann ist das wie Formel 1, aber einer linksrum Nürburgring, der andere rechtsrum Nürburgring. Oder es ist wie tanzen gehen wollen, und einer hat ein Sambaröckchen an, der andere pfeift Tango vor sich hin.
Trotzdem ist es auf Dauer nicht gut fürs Liebesleben, wenn nur einer von beiden wach ist. Richtigen Sex kann man am Wochenende während der Mittagsschlafzeit des Kindes haben. Da wissen die gegenüber auch Bescheid, wenn man mitten am Tag die Gardinen zuzieht. Die wissen eh viel zu viel. Wir haben zum Beispiel eine Lichterkette, die einen Wackelkontakt am Schalter hat. Wenn man sie einschaltet, muss man eine Weile am Schalter klopfen, ihn an- und ausmachen oder ihn sanft gegen die Wand schlagen. Die Lichterkette flackert in der Zeit lustig. Da frage ich mich jedes Mal, ob die gegenüber seit Wochen versuchen, die geheimen Morsezeichen der Geisel mitzuschreiben: »Ihr Kuckuck steht im Halteverbot. Eine Krücke aus Ebenholz ist kein Trost. Sieben Ungarn essen dreißig Döner.«
Die werden sich wundern, wenn sie mal mitschreiben. Fairerweise wissen wir auch viel zu viel über die gegenüber. Grischan sagte letztens, ich solle die Polizei rufen, drüben mache jemand Bewegungen, als würde er eine Knarre laden. »Nein, der saugt so Staub«, sage ich. »Aber seine Frau kniet vor ihm«, sagt Grischan. »Ja, die hat immer einen fusseligen Kragen«, sage ich. »Aber vielleicht machen die auch was anderes«, glaubt Grischan.
»Nein!«, informiere ich ihn, »dann machen sie auch die Vorhänge zu. Wenn sie was anderes machen.« »Woher willst du das denn so genau wissen?«, fragt er.
»Weil die Vorhänge durchsichtig sind.«
Außerdem, mal ehrlich, was gibt es denn für einen anderen Grund, mitten am Tag die Vorhänge für eine Stunde zu schließen? Fotos entwickeln? Die Fledermaus füttern? Die neuen phosphorisierenden Pilze ausprobieren?
»Is doch egal«, beschließt Grischan und zieht die Vorhänge zu …