In der Warteschlange im Biomarkt
Text: Kirsten Fuchs
Als ich mal in einem Markt mit hochwertigen Produkten an der Kasse stand und dort fast vor Langeweile zu Staub verschimmelt wäre, kam ein Kind im kindertypischen Hoppel-und-Hüpf-Kombinationsschritt an mir vorbei genachwuchst, da riet der Vater seinem Kind …
Ich merke gerade, dass ich für diese Geschichte noch etwas weiter ausholen muss. Was ich mit Markt für hochwertige Produkte meine, ist ein Lebensmittelmarkt für Obst, das schief wachsen darf, dann sauer geerntet wird, bis zum Verkauf schon schimmelt und darum wesentlich mehr kostet.
In Biomärkten kaufen nicht nur Biomarktkäufer ein, über die genug Schmutz und Schande verbreitet wurde, nein, dort arbeiten auch hektik- und glutenfreie Biomarktangestellte: Die wachsen krumm, sind nie sauer, und bevor man dran ist, beginnt man zu schimmeln, weshalb in Biomärkten ganz allgemein ein sehr biologischer Geruch in der Luft hängt. Die Verkäuferzunft des Schnellschimmelobstes muss sich nicht beeilen. Vielleicht gibt es sogar eine Garantie darauf, dass das Obst schon schlecht ist, bevor man den Laden verlässt, damit man auch sicher sein kann, dass man seinen hohen Mitgliedspreis für Birnen, die noch nach Birnen schmecken, nicht umsonst zahlt, denn Schimmel ist ja ein Zeichen von Mangel an Konservierungsstoffen. Aber ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster der Vermutungen lehnen.
Wenn man sich nun als Außenstehender an solche »Horte der gesunden Bummelei in Übereinstimmung« begibt und dem selbst noch nicht gewachsen ist, kann es passieren, dass man durch den Entzug von Konservierungsstoff sehr ungehalten und geradezu bösartig wird. Diese Bösartigkeit muss gar nicht zu Gehör gebracht werden, meistens reicht es, den Menschen in der näheren Umgebung Widerwärtiges zu unterstellen, zum Beispiel, dass sie mit Absicht bummeln. Diese mit Absicht bummelnden Menschen werden dann von mir mit fantasievollen Schimpfwörtern bedacht, die sie in diesem nervenaufreibenden Moment auch verdient zu haben scheinen.
Meist verraucht meine Wut so schnell wie gekommen durch einen kleinen Druckregulierungshahn, der an einer dünnwandigen Stelle meiner Psyche kurz negative Energie abpufft. Das klingt kompliziert, meint aber im Grunde nur, dass ich bei betreffender unliebsamer Person den Preis für die Dinkel-Tofu-Schokolade mit Sojamilch erlauschen oder erspähen kann und Häme meine Wut lindert. Oder – das ist noch effektiver – ich sehe den Nachwuchs, weiß, dass Biomenschen sehnsüchtig darauf warten, dass in irgendeiner Urwaldbaumrinde endlich Bio-Ritalin gefunden wird, und schon hat erneut die Häme meine Wut gelindert. Gerade Eltern, die glauben, ihre Kinder seien etwas Hochwertiges, sind bemüht, in diese vermeintlich hochwertigen Kinder auch hochwertiges Essen hineinzutun, damit sich diese Kinder auch weiterhin gut entwickeln, was sie bis dahin aber noch gar nicht getan haben.
Eines dieser Kinder tollte also ungezügelt zwischen den Kunden mit ihren Waren in den Weidenkörbchen …
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