Text: Anja Baum
Ich könnte zugeben, dass ich schuld bin, aber das liegt mir nicht. Und das ganze Schlamassel wäre uns erspart geblieben, wenn der Neubauer nicht wieder seine Marotten zu ehernen Prinzipien des Landlebens stilisiert hätte. Diesmal ging es um den weihnachtlichen Festschmaus. Da kennt mein Mann kein Pardon, da heißt es »Gans oder gar nichts!«. Dieser Grundsatz gehörte angeblich bereits zum Kanon seiner Festtagsgestaltung, als er noch mit der Trommel um den Tannenbaum rannte. Im Kindergarten jedenfalls konnte man zur Adventszeit sein Bild auf Anhieb erkennen. Während die anderen Kinder brav Weihnachtsmänner malten, kleckste er einen toten Vogel aufs Papier.
Als unser Biolieferant vor Jahren geflügelpestbedingt nicht mehr liefern konnte, erntete ich Hohn und Spott. Nur weil ich vorschlug, es doch einmal mit Fisch zu versuchen: Ha, vielleicht noch ein Karpfen, schüttelte sich der Neubauer, da könnten wir ja gleich mit den Katzen im Stall feiern.
In diesem Jahr hatten wir unseren Weihnachtsbraten vorsorglich selbst herangezogen: ein Gänsepaar mit einem Dutzend Warzenenten im Schlepptau. Alles generalstabsmäßig geplant. Den Ganter sollte es zu Sankt Martin geben, die Gans zum Fest, und mit den Enten würden wir uns die Wartezeit auf den Frühling versüßen. Pech nur, dass wir vergessen hatten, uns beizeiten in der Lohnschlachterei anzumelden. Bis Heiligabend waren alle Termine längst vergeben. »›Ich‹, hätte es korrekterweise heißen müssen«, wütete mein Mann: »Du allein warst für den Termin zuständig.«
Sicher hat er den Scheidungsanwalt nur deshalb nicht angerufen, weil er ahnt, dass meine Stelle hier draußen kaum neu zu besetzen ist. So blieb das Federvieh noch den halben November auf unserem Hof. Aber statt sich zu freuen, machten sich die Vögel gegenseitig die Hölle heiß. Die inzwischen voll geschlechtsreifen Entenmänner sprangen ungezügelt auf die in Unterzahl befindlichen Weibchen, und wenn sie hinunterstiegen, dann nur, um sich untereinander im Balzkampf das Gefieder zu verwüsten. Die ehemals so grüne Gänselieschen-Wiese verwandelte sich in eine Kampfarena. Verzweifelt suchte der Neubauer einen Ausweg aus dem Dilemma.
Die Problemlösung kostete fast 400 Euro und hörte auf den alle Landromantik tötenden Namen »Geflügelrupfmaschine«. Man muss sich das Gerät als eine Art Riesenwaschmaschine mit Gumminippeln in der Zentrifuge vorstellen. Zwischen denen werden die toten Vögel so lange hin und her geschleudert, bis die letzte Feder gefallen ist. Laut Prospekt sollte es nur 60 Sekunden dauern. Doch selbst nach drei Minuten tat sich nichts. Mein Schlachtanfänger hatte vor Aufregung vergessen, das Vieh vorschriftsmäßig vorzubrühen. Zum Glück gab es ja noch Gans Nummer 2 und die Enten. Am Ende konnten wir die vorgegebene Rupfzeit sogar noch um vier Sekunden unterbieten.
»Mit der Maschine«, rief der Neubauer begeistert, während er sich die Daunen aus dem Gesicht wischte, »könnten wir doch selbst ins Schlachtgeschäft einsteigen.« Okay, ich müsste nicht mehr anderswo um Termine buhlen, aber lohnt es sich, fremder Leute Weihnachtsbraten zu barbieren?